Sonntag, 16. Dezember 2007

....Tagebau

mein Geburtshaus

Für uns Kinder übte jedoch der Tagebau eine ungeheure Faszination aus. Der riesige Schaufelradbagger der täglich unserem Hause näher rückte, die Sprengungen, welche die Tassen im Schrank zum klirren brachten, die Abraum- und Kohlezüge, die wie eine Spielzeugeisenbahn am Grunde des ca. 100 Meter tiefen Loches mit ihrem eintönigen Gebimmel fuhren, dies alles war tief mit unseren Lebensinhalt verbunden.
Vor allem im alten Tagebau hinter dem Rittergut, wo nicht mehr gearbeitet wurde, errichteten wir unsere Burgen, bauten wir unsere Laubhütten, führten wir harte Kämpfe gegen andere feindliche Banden. - Manchmal bis aufs Blut, in dessen Folge schlimme Beulen und zerrissene Hosen auch noch zu Hause schlimme Folgen in Form von Hieben zeigten. Das Verbot dort zu Spielen hörte ich zwar täglich, aber was soll’s.
Meine Tante fand immer Recht schnell heraus von woher ich vom Spielen kam.
Als Sie eines Tages abends wieder länger als üblich auf den kleinen Räuber wartete, - Sie wollte einmal ausgehen -, stand plötzlich ein kleiner unschuldig drein blickender Mohr vor ihr. An diesen Abend hatte ich ganz schlechte Karten, zu leugnen, woher ich kam war zwecklos. Wir hatten an diesen Nachmittag in den Wasserlöchern am Grunde des Tagebaus gerade eine Schlacht gegen eine feindliche Piratenflotte mit unserem Kaperschiff aus Schwellen geschlagen und vergessen uns in der Hitze des Gefechts den Kohlestaub ab zu waschen. Seit jenem Tage wusste ich, wie lange ein Kleiderbügel aus Hartholz braucht, um auf meinen Rücken zu zerbrechen. Ja wir liebten schon recht frühzeitig die Gefahr.

Eine meiner liebsten Beschäftigung war nach dem Spielen der Nachhauseweg an den Gleisen der Kohlebahn entlang, obwohl von der Großmutter strengstens untersagt sammelten wir hier immer die Briketts und Kohlestücke auf die von der Werksbahn herunterfielen. Damit konnte die Oma schon mal auf unseren alten eisernen Küchenherd unser Essen kochen.
Dieses alte Instrument in unserer Wohnküche vereinte Kochstelle, Wärmespender, Wasserkocher und Backofen zugleich. Wenn es durch das Abkochen zu warm war, wurde die Kammertür geöffnet und unsere ganze Wohnung war beheizt. Im Winter brauchten wir dann zum Schlafen keine erhitzten Ziegelsteine als „Wärmflasche“ mehr ins Bett zu legen.
Zu unserer komfortablen Wohnung im Gesindehaus eines ehemaligen Bauernhofes gehörte noch eine Dachkammer, dort schlief früher meine Tante, zu meiner Zeit wurde sie nur noch als Rumpelkammer benutzt. Alles was so im Haushalt anfiel und niemand mehr brauchte wurde dort irgendwie abgelegt. Sie war ein idealer Ort zum Spielen an dem es vielerlei Dinge zu entdecken gab.
Ebenerdig befand sich hinter einer Schusterwerkstatt das Waschhaus, dort wurde im Sommer gebadet und unsere Wäsche gewaschen. Mit mir wurde da meist nicht viel Federlesens gemacht, handlich wie ich nun mal war wurde ich gleich im Kessel mit abgeschruppt, manches mal gleich zusammen mit der Tochter meiner Patentante. Das war immer recht lustig denn ich lernte dabei zugleich, dass es zweierlei verschiedene Menschengruppen gibt.
Ein Holzschuppen und ein neben der Jauchengrube befindliches Plumpsklosett vervollständigten unseren Haushalt.
Sommers und Winters mussten wir über den Hof um auf diesen Fünfzylinder, entsprechen der Anzahl der Familien auf den Anwesen, unsere dringendsten persönlichen Geschäfte zu erledigen. Längere Sitzungen auf dieser „hygienischen Einrichtung“ waren nicht möglich,
wollte man nicht ersticken oder erfrieren.
Tagebau Zechau

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