Samstag, 22. Dezember 2007

Pupertät....

Ich konnte die auf rasender Eifersucht basierende Brutalität gegenüber meiner Mutter nicht mehr ertragen. Als er eines Tages, ich war etwa 15-16 Jahre alt, sie wieder verprügelte, rastete ich aus, ich nahm kurz entschlossen die Kohleschaufel und bedrohte ihn massiv, wenn er nicht aufhört dann..., seit dem war Schluss mit der Brutalität, zumindest so lange ich anwesend war.
Ein für meine Begriffe sehr harter Schicksalsschlag traf mein zartes kaum 12 jähriges Leben, als meine Mutter ohne zu fragen mir eine kleine Schwester im Sommermonat August vor die Nase setzte.
Ab da war es vorbei mit meiner unbeschwerten und unter viel Mühe erkämpften Freizeit, plötzlich hatte ich neue Pflichten und Aufgaben.
Anfangs noch Stolz auf das kleine Schwesterchen, verwandelte sich aber mit zunehmenden Alter des kleinen verwöhnten pausbäckischen Schreihalses der Stolz in eine aufköchelnde Stinkwut. Es wurde zunehmend schwieriger diese Göre unter Kontrolle zu halten, vor allem wenn es um das Essen ging. Sie muss beim lieben Gott, als es um die Vergabe der menschlichen Fähigkeiten und Leidenschaften ging, sich gleich zwei mal gemeldet haben. Sobald nur die Flasche oder anderweitige essbare Gegenstände in die Nähe ihres Blickfeldes kamen, konnte sie sich erst dann beruhigen, wenn der erste Bissen in ihren Rachen kam. Mit stark hervorquellenden Augen schlang sie alles in ihren Schlund hinein und gab erst dann Ruhe, wenn der letzte Tropfen oder Bissen verputzt waren. Natürlich hatten sich ja auch die Zeiten geändert und es gab mehr zum Leben, aber immer musste sie Alles bekommen was sie wollte, und wenn es nicht schnell genug ging, dann ertönte eine Sirene, ähnlich wie bei Feueralarm, auf- und abschwellend, bis ihr Wille erfüllt war. Dafür hätte ich sie am liebsten steinigen können, aber ich konnte ja nicht, im Gegenteil, wenn ich ihr nur das kleinste Haar gekrümmt hätte, dann wären meine Karten ganz schlecht gewesen. So aber Entwickelte sich mit der Zeit eine gewisse Spannung in unseren Verhältnis die etwa bis zu ihren 20-sten Lebensjahr anhielt. Darüber gibt es noch einiges später zu berichten.

* * *

Langsam und unaufhörlich wuchs der kleine Knirps nun aus seinen Kinderschuhen heraus, aus dem Knäblein wurde ein junger Bursche, in dessen Psyche sich allmälig völlig neuartige, die Sinne verwirrende Eindrücke einschlichen – der unmerkliche Übergang in die Pubertät. Alles bisher Wichtige in meinen jungen Leben bekam einen neuen Platz, eine neue Wertigkeit und neue Eindrücke nahmen dessen Platz ein. Es war wie man so schön sagt ein Entwicklungsprozess, an dessen Ende eine neue Qualität Mensch, ein Mann heranreifen sollte, vom Ziel her von Mutter Natur vorausbestimmt, vom Ergebnis her aber durch die Individualität des Jeweiligen und die äußeren Umstände geformt.
Triebkräfte dieses Prozesses waren und sind neben der erwachenden Sexualität, die Neugierde auf das Unbekannte gepaart mit Schamhaftigkeit, Übermut und Frechheit und von der Gesellschaft geschaffene ethische, moralische und materielle Voraussetzungen und Werte.
Nun will ich ja keine Abhandlung über die Sexualitätsentwicklung der Spezies Mann schreiben, sondern meine diesbezüglichen Entwicklungsabschnitte einigermaßen offen schildern.
Das es zweierlei menschliche Wesen gibt, kannte ich schon seit meinen 5-ten Lebensjahr, was ich jedoch noch erfahren durfte bzw. wozu dieser winzig kleine Unterschied im Stande ist, und was er bewirkt, dies sollte mir das Leben noch zeigen.
Waren in den Knabenjahren die Mädels für mich nichts weiter als Heulsusen und Petzen, die zwar anwesend d.h. real und deshalb geduldet waren, ansonsten aber völlig bedeutungslos dahin vegetierten, da man ja mit ihnen nichts weiter anfangen konnte, änderte sich mit zunehmenden Alter diese Einstellung.
Wenn wir als Jungen gerade mal keine Kämpfe ausfochten, uns also die Lange Weile plagte, spielten wir schon mal mit Mädels zusammen, so ne Art „ Vater, Mutter und Kind “, im Endeffekt waren es aber fade Spiele, immer zu tun was Muttern sagte, dies hatte man zu Hause auch, das machte keinen Spaß. Da waren die Dokterspiele schon interessanter, da gab es wenigstens etwas zu sehen, zwar nicht viel, aber besser als nichts. Dies hatte aber noch nicht viel oder gar nichts mit Sex zu tun, aber die Neugierde wurde erweckt. Da waren die „Sexspiele“ , die wir in der Jungenclique zelebrierten schon besser. Da wurde gemessen und verglichen wer den längsten und dicksten hat, da wurde gemeinsam gewichst um nachzuweisen, das man schon etwas konnte und wer am weitesten spritzte. Erst wenn man sich die ersten Tröpfchen abgequält hatte, wurde man von der Truppe anerkannt.

Donnerstag, 20. Dezember 2007

Umzug nach....

Mitte 1955 kam dann der große Umzug in die Stadt Annenberg, unsere Familie, das waren meine Eltern, meine Tante und Ihr Mann, meine Großmutter und ich zogen in zwei nigel-nagel neue Zweizimmer Neubauwohnungen in einer Etage auf den Lerchenberg.
Das Leben musste für die gesamte Familie neu organisiert werden. Obwohl in der ganzen Häuserzeile, alles Neubauten, fast das halbe Dorf angesiedelt wurde, also viele alte Freunde, wie wir alle „Braunkohleopfer“, mit ein gestädtet wurden, galt es auch das Kinderleben neu zu organisieren. Die Schule spielte dabei das kleinste Übel keine Rolle, denn wir waren ja allerhand gewöhnt. Alles war Neu für uns Jungs vom Dorfe, angefangen von der Sprache - hier wurde mehr „Hochdeutsch“ gesprochen nicht „Bauerntratsch“ -, Zurchau hatte und hat noch heute einen eigenen Dialekt, der für Außenstehende schwer verständlich ist, jeder erkannte sogleich woher wir kamen, bis hin zu den neu zu erschließenden Spielmöglichkeiten.
Wir fanden als sozusagen zugezogene Dorftrampel sehr schnell heraus, wo unsere Stärke liegt, eine neue straff organisierte Bande musste etabliert werden um gegen die „Gefahren“ der Großstadt zu bestehen. Das Gelände wo wir wohnten war hierfür ideal.
Hinter unserem Haus eine aufgelöste ehemalige Gartenanlage, die in den nächsten Jahren noch bebaut werden musste , die Stadtgrenze mit Stadtwald, ein ideales Terrain zum rumstrolchen, inklusive einer akzeptablen Allee mit Kirschbäumen , wo wir unsere diesbezüglichen Bedürfnisse umfangreich befriedigen konnten bis hin zu den noch zu erforschenden Möglichkeiten der Stadt. Und deren gab es deren Viele.
Da gab es noch den Schlosspark mit seinen unterirdischen Gängen, die vor Jahrhunderten durch die Klosterbrüder und im Auftrage des alten Herzogs angelegt wurden und stellenweise noch heute existieren, die blaue Flut, ein Flüsschen, dass die Stadt noch heute unterirdisch durchquert, den Aussichtsturm oben im Wald, der damals unbedingt bestiegen werden musste obwohl es verboten ist, das Wolfenholz mit seiner Höhle, die Russenkaserne mit ihren zwei Schießplätzen, das Gelände der ehemaligen HASAG, einer früheren Munitionsfabrik mit ihren unterirdischen Werkhallen, wo wir uns mit Schwarzpulver aus alter Munition eindeckten, die noch zu Massen herumlag. Es gab viel zu entdecken und zu erforschen in Annenberg, da reichte die Zeit oftmals nicht aus, denn Hausaufgaben, schulisches Lernen und häusliche Pflichten, die noch so nebenbei anstanden mussten ja auch noch erledigt werden. Wir hatten es sehr schwer alles so auf die Reihe zu bekommen. Hinzukam, das unsere Eltern für unsere Eskapaden wenig Verständnis erbrachten, zumindest meine. Aber sie wussten Gott sei Dank ja kaum etwas von dem, was wir so trieben.
Wir bauten in der ehemaligen Gartenanlage unsere Burgen und Höhlen, die wir erfolgreich gegen andere Straßengangs verteidigten, bastelten uns kleine Bomben aus Schwarzpulver, die mächtig knallten als wir diese mit selbstgebauten Katapults gegen unsere Angreifer schleuderten, Rauchten schon mal wie Robinson mit einer selbstgebastelten Pfeife getrocknetes Laub. Im Großen und Ganzen haben wir uns schnell eingelebt. Meine Eltern waren beide berufstätig, sie hatten somit wenig Zeit um sich mit mir zu beschäftigen, es war alles optimal.
Ein beliebtes Spielzeug der damaligen Zeit waren für uns alles was knallte und rummste, es war sehr schwer den notwendigen Nachschub zu organisieren und so entwickelte sich schon in recht früher Kindheit in mir die Vorliebe für alles was so praktische Chemie war. Mit ein wenig Phantasie und Einfallsreichtum war da so allerhand zu machen. Meine Spezialstrecke waren z.B. Knaller aus Löschpapier mit aufgelösten Unkraut-ex. Diese fabrizierte ich in der Wohnung meiner Eltern. Die Löschblätter wurden mit in Wasser aufgelösten Unkraut-ex getränkt und auf Zeitungspapier getrocknet. Mit Hilfe von alten Zwirnsrollen aus Pappe und einer kleinen Lunte konnten da erstaunliche Dinge hergestellt werden. Da ich ja nun als sparsamer Mensch erzogen wurde, hatte ich immer das gleiche Zeitungspapier benutzt und es anschließend immer an das unterste Ende des Zeitungsstapels abgelegt. Irgendwann musste meiner Mutter das Feuermachen nicht so richtig geglückt sein, denn sie hatte sozusagen die falsche Zeitung erwischt.... na ja, als sich der Rauch nach der Stichflamme, die beim Anzünden aus den Ofen hervorschoss, verzogen hatte, fehlten ihr am Kopfe ein paar Haare und sie war sehr erschrocken, dass das „Zeitungspapier“ so gut brennen konnte. Ich aber wusste natürlich von nichts.
Zu meinen Pflichten gehörte besonders an den Monatsenden das Einkaufen, da half nichts und es gab keinen Weg um mich davon zu Drücken. Das Geld war nämlich alle und mit einen Zettel in der einen Hand, den notwendigen Lebensmittelkarten in der anderen, und der Bemerkung Mutter bezahlt am Ersten , blieb unserer Krämerfrau kaum noch eine Alternative. Bei uns reichte das wenige Geld weder vorn noch hinten um die notwendigsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen.
Großmutter war wegen eines schweren Magenleidens frühzeitig berentet worden, und ging nachmittags zu besser betuchten Leuten putzen. Das Geld, was sie sich zu ihren 90 Mark Rente hinzuverdiente investierte sie meist in ihren Enkel. Ihre große Leidenschaft war das Kaffeetrinken, nach beendeter Arbeit, kaufte Sie meist 1/8 Kaffee für 1,25 Mark und ein wenig Kuchen meist eine halbe Mohnrolle für 1,60 Mark und lud nur mich zum Kaffeetrinken ein, das war für sie immer wie eine kleine Messe. So wurde so nach und nach aus mir eine kleine Kaffeetante. Wenn in der Stadt auf dem Anger der Rummel oder Zirkus stattfand, verzichtete sie sogar auf ihr geliebtes Kaffeetrinken und gab mir ihre letzten paar Märker hierfür.
Ihre zweite große Leidenschaft war das Bücherlesen, sie war in der Bibliothek der eifrigste Leser. Auch verstand sie es immer besser mein Interesse für ihr Hobby zu erwecken, denn in den Bücherstapel mit welchem sie aus der Bücherei zurückkam, hatte sie auch immer etwas Interessantes für mich dabei. Die Liebe zu Büchern ist noch heute meine große Leidenschaft, die ich in erster Linie Ihr zu verdanken habe.
Noch eine dritte Leidenschaft verdanke ich meiner Kindheit. Den Grundstein hierfür legte meine Tante. Sie lebte mit ihren Mann in der guten Stube unserer Wohnung. Großmutter und ich belegten die Schlafstube. An wetterbedingten Abenden und an den Wochenenden war das Kartenspiel als die Hauptunterhaltung groß im Kommen. Während zusammen mit der Omi Doppelkopf gespielt wurde, auch eine ihrer Interessen, da spielte sie manchmal noch im Traum die Dulle aus, bevorzugten meine Tante und mein Onkel das Skatspiel. So wurde ich schon recht frühzeitig zum Skatfreak erzogen und zwar mit allen Raffinessen, immer unter den Motto ein Bewohner einer Skatstadt muss auch Skatspieler sein. So konnte ich schon mit
11 Jahren einen gepflegten Skat spielen, so richtig wie ein Alter.
Besonderen Spaß hat mir das Spielen mit meinen Eltern gemacht. Hierbei vermochte ich mich so richtig an meinen Stiefvater zu rächen. Mit Vorliebe habe ich oftmals so falsch gespielt, dass er nur noch verlieren konnte. Er war jedoch kein guter Verlierer, noch dazu weil ich mir ein hämisches Grinsen selten verkneifen konnte, na ja ein guter Skatspieler muss auch mauern können.
Gerechterweise muss jedoch gesagt werden, dass er außer seiner maßlosen Brutalität auch noch gute Seiten hatte die sich zugleich prägend auf meine Entwicklung auswirkten. So spielte er hervorragend Ziehharmonika. Bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten griff er zur Quetschkommode spielte und sang mit allen gemeinsam so schöne Stimmungs- und Volkslieder, und alles ohne Noten, eben so aus den Bauch. Ich versuchte es natürlich auch, aber es gelang mir nicht meine Hände zu koordinieren. Entweder ich bekam den Bass gut auf die Reihe, oder die Melodie – beides Zusammen schaffte ich nie – ich hab’s dann aufgegeben. Kurt so hieß mein Stiefvater, hatte noch eine zweite künstlerische Ader. Für ein geringes Entgeld malte er für meine Begriffe hervorragende Ölgemälde. Vom Inhalt her zwar nur abgekupferte Postkarten von Bergen, Hirschen, Wäldern und Seen, dies war damals gerade in Mode, auch mal Blumen, je nach dem was der Kunde so wünscht, aber für was Eigenes, Schöpferisches, da langte es nicht, dazu fehlte ihn die Phantasie. Aber immerhin, es inspirierte mich kolossal und führte dazu, dass das Malen und Zeichnen zu meinen Lieblingsfächern wurden. Das ging sogar so weit, dass ich zwei durch Krankheit unvollendet gebliebene Auftragsbilder beendete und sie an seine Kunden jedoch mit meinen Signum, dass ich mir extra dafür ausdachte, auslieferte.
Unser Verhältnis besserte sich erst dann, als sich das familiäre Kräfteverhältnis zu meinen Gunsten veränderte, als ich größer und stärker wurde.

Dienstag, 18. Dezember 2007

Reiselust....

Abenteuerlust und Neugierde sind wohl bei jedem Kind wichtige Triebkräfte der persönlichen Entwicklung und warum nicht auch bei mir. Es war also deshalb nicht verwunderlich, als ich von meinen Freunden erfuhr, dass eine Klassenausfahrt übers Wochenende auf dem Programm stand, allerdings bei den Zweiten Klassen, dass ich, obwohl ich erst Erstklässler, da mit musste. Ich begann sogleich mit den Vorbereitungen für meine zweite große Reise, diesmal jedoch ohne die Oma.
Meine wenigen Sachen, ein Paar lange Strümpfe, ein Kanten Brot und ein Leibchen, dies war so ein komisches Ding, wo bei kleinen Jungen die langen Strümpfe befestigt wurden, reichten aus um gut übers Wochenende zu kommen. Freitags früh marschierte ich eifrig und pünktlich zur Schule, so dachte jedenfalls meine Großmutter.
Die beiden uns begleitenden Lehrerinnen konnte Dank der Hilfe meiner Freunde am Treffpunkt nicht feststellen, dass sie eigentlich ein Schüler zu viel in der Klasse hatten.
Diesmal sollte es auf ein altes Schloss nach Langleuba - Niederhain gehen. So diszipliniert wie nie zuvor marschierte die Klasse zum Bahnhof nach Krabitsch und los ging die Fahrt. Es klappte bis ans Ziel alles vorzüglich. Der Schwindel flog erst auf, als es ans Verteilen der Strohsäcke ging. Auf einmal gab es einen Schüler zu viel in der Klasse und ich bzw. wir wurden ertappt mit unser Mauschelei.
Sogleich wurde über das Gemeindeamt die Schule und so auch meine Großmutter verständigt. Sie hatte sich ja schon riesige Sorgen gemacht, weil ich nicht sofort von der Schule nach Haus gekommen bin.
Nun ja ich hatte Glück, da es eine Extrafahrt zurück nicht gab, durfte ich übers Wochenende bleiben und an allen Ausflügen teilnehmen. Mit einen Schlag waren wir, unsere Gruppe, und ich eingeschlossen, an der Schule die Größten.
In den folgenden zwei Jahren, die wir noch auf dem Dorfe wohnten, bevor der große Schaufelradbagger unser Haus erreichte vergingen im täglichen allerlei nach dem Motto „Schule - Spielen – Schlafen“, zu den wenigen Erinnerungen aus der damaligen Zeit gehörte neben dem, alle 14 Tage stattfindenden Dorfkino im Gasthof, organisiert vom Landfilm, die neue Weltsensation, so mindest kam es uns so vor, das Fernsehen. Im Hinterzimmer unseres Gasthofes wurde eine unförmige Kiste aufgestellt mit einen Tellergroßen Bildschirm, so konnten wir die wöchentlich nur Stundenweise ausgestrahlten Sendungen, allerlei verschiedene Fernsehbeiträge an einzelnen Nachmittagen erleben. Äußerst schwierig war es in jener Zeit einen günstigen Platz im überfüllten Hinterzimmer der Dorfschenke zu ergattern. Es war schon aufregend was da aus so einer kleinen Kiste alles kommen konnte.
Das Dorfkino hatte es mir jedoch angetan, ich entwickelte mich zu einen richtigen Kinofan. Ein Film aus dieser Zeit ist mir noch Heute in besonderer Erinnerung. Es war der Film, „Der Untergang der Titanic“, ihn habe ich mir im Nachbardorf gleich noch einmal, am nächsten Tage angesehen. Ich wusste immer was für ein Film für Kinder an den Nachmittagen gegeben wurde. An den Tagen vor diesen Großereignis war ich ein regelrechter Musterknabe. Ich kam pünktlich und relativ sauber von der Schule nach Hause, machte freiwillig meine Hausaufgaben - kurz es ging immer um die 25 Pfennige für die Kinokarte. Das liebe Geld war da für mich schon immer ein großes Problem, da gab es die Großmutter und die Tante - bei ihnen gab es meist nichts zu holen, denn sie hatten selbst nur das Nötigste, da waren meine Eltern mit ihren strengen Maßstäben, und dann gab es noch so diverse Einnahmequellen für uns Stifte, wie das Sammeln von Kartoffelkäfern ( eine Mark für ein Marmeladenglas ), die Hilfe beim Einkaufen für ältere Herrschaften, in Form von Tasche tragen, aber da bekam man meist nur Bonbons als Saalaer. Auch fand nicht jede Woche eine Hochzeit im Dorf statt, wo wir uns um das Brautgeld, welches so verstreut wurde Prügeln konnten. Es wurde immer schwieriger den Einlassdienst so auszutricksen um in den Saal zu gelangen. Als wieder einmal Mattheus am letzten in Sachen Kinogeld bei mir war, stibitzte ich kurz entschlossen mir die 25 Pfennige vom Küchenschrank. So konnte ich zwar den Film sehen, doch als ich zu Hause ankam gab es noch einen Krimi gratis. Meine Tante bemerkte das Fehlen des Geldes und leugnen war zwecklos - die Strafe folgte auf dem Fuße in Form von schlimmen Dellen am ganzen Körper.

Montag, 17. Dezember 2007

Stiefvater....

Die Zeit des freien Herumtollens war 1952 für mich zu Ende. Es begann sozusagen der Ernst meines Lebens, ein neuer Lebensabschnitt. Ich wurde eingeschult, und zwar mit allen Drumherum. Meine Mutter konnte sich für mich sogar neben einer bescheidenen Zuckertüte, die ja das Beste an diesen Tage war, einen Schulranzen leisten.
Mit Schiefertafel, Schieferkasten und einer neuen Fibel ausgerüstet begann ein neues Martyrium für mich, stundenlang ruhig sitzen zu müssen, immer zu machen, was die Lehrerin kundtat, es war eine schreckliche Strafe für mich.
Ein "braver" Schüler ???
Ich habe mich aber bitter gerecht an der älteren Dame. Fast ein halbes Jahr benötigte Sie, damit der Schieferstift in der „richtigen“ Hand einigermaßen leserliche Zeichen hinterlies. Ihre Ausdauer wurde jedoch von Erfolg gekrönt, ich konnte endlich mit der rechten Hand schreiben.
Ein Zweites großes Ereignis veränderte mein Leben entscheidend, ich bekam einen richtigen Vater, d.h. meine Mutter heiratete und zog zu uns auf das Dorf, jetzt hatte ich endlich das, um was ich all meine Freunde aus der Kinderzeit beneidete, einen Vater...
Aber um welchen Preis.
Übrigens ist ja die Tendenz bei Kindern von alleinerziehenden Müttern, nun endlich den zweiten Teil der Familie also einen Vater zu haben, ziemlich stark ausgeprägt, ebenso bei mir. Über meinen richtigen Vater wusste ich damals nur soviel, das er ein Ausländer war, nicht oder kaum unsere Sprache kannte und weit, weit weg wohnte.
Soviel stand damals für mich fest, alle Männer, die nicht so richtig Deutsch konnten und nicht aus unserem Dorf stammten, kamen potentiell für mich als Vater in Frage und wenn sie dann sich noch ein wenig mit mir beschäftigten, sowieso. So geschehen auf meiner ersten großen „Weltreise“ mit meiner Großmutter.
Wir wollten damals im Sommer des Jahres 1950, die Züge fuhren schon wieder relativ pünktlich, meine Mutter auf ihrer Arbeitsstelle in Zwickau besuchen.
Während eines Aufenthalts im Wartesaal des Bahnhofs von Annenberg
saß nun auch noch ein solch besagter Ausländer, ein russischer Sergeant mit einem riesigen Stalinbart und zwinkerte mir kleinen Knirps lustig zu. Ein kleines Stück Zucker half mir meine anfängliche Scheu zu überwinden und es kam sozusagen zu einen väterlichen Dialog zwischen uns beiden natürlich ohne große Worte. Immer wenn ich diesen Mann an seinem Schnauzer kitzelte, während er so tat als schliefe er, wackelte er lustig mit seinen Bartspitzen, so das ich mich vor Lachen fast wegschmiss - und für mich stand fest, obwohl es meiner Großmutter nicht so recht war, - dies konnte nur mein Vater sein.
Als ich diesen Menschen beim Spazieren gehen in Z. wieder begegnete rief ich ganz aufgeregt zu meiner Mutter „dort geht mein Papa“!
Doch zurück nun zu unseren angeheirateten Vater - er war nicht so wie ein richtiger Papa, vorbei war es mit der „großen Freiheit“,
sehr schnell wurde mir beigebracht was eine strenge väterliche Hand bedeutet. Das Grausame an der ganzen Angelegenheit war die Permanenz der Kontrolle und der Sanktionen beim Nichtbefolgen von Geboten und Verboten.
Wichtigstes Erziehungsinstrument dieses meines Stiefvaters, die Betonung liegt hierbei auf „ Stief ...“, war ein Siebenriemer, ein 30 cm langer handlicher Stock, auf der einen Seite mit einer Lederschlaufe für das Handgelenk, und auf der anderen, sieben 1 cm breite und 30 cm lange Lederriemen, die ringförmig um der Stiel befestigt waren, - ein bestialisches Folterinstrument für mich, um meinen ganzen Elan und meine Tatkraft zu bremsen.
Vom väterlichen Standpunkt aus gesehen konnte ich zwar für dieses
Teil eine gewisse Daseinsberechtigung erkennen, denn mein Großvater erzog früher schon seine Kinder damit mehr oder weniger erfolgreich, jedoch verspürte ich damals schon eine gewisse Tendenz zur antiautoritären Erziehung.
Es war deshalb nicht verwunderlich das mir dieses Gerät beim Toilette reinigen aus Versehen aus der Hand fiel und in den unergründlichen Tiefen der Jauchegrube entschwand, was jedoch in keinerlei Protokoll vermerkt wurde - denn ich wusste ja von nichts!
Eine Hoffnung auf eine grundsätzliche Veränderung der Erziehungsmethoden war jedoch trügerisch - es änderten sich nur dir Instrumente nach dem Motto, ein straffer Leibriemen aus Leder tut’s auch. In diesem Falle lies es jedoch für mich die Möglichkeit offen, bis er abgegürtet, war flugs das Weite zu suchen, d.h., mich solange zu verstecken, bis die heftigste Wut sich beim alten Herrn in Luft aufgelöst hatte.Es war wieder die Großmutter, die sich schützend vor mich stellte, wenn sozusagen wieder einmal „die Kacke am dampfen war“, denn nach wie vor schlief und wohnte ich bei ihr - während meine Eltern ein kleines schmales Zimmer im Anderen, sozusagen herrschaftlichen Teil des Hofes, im Gutshaus, bewohnten. Obwohl es noch einiges in Sachen Stiefvater zu berichten gäbe, will ich es doch vorerst dabei belassen und mich wichtigeren Dingen zu wenden.

Sonntag, 16. Dezember 2007

....Tagebau

mein Geburtshaus

Für uns Kinder übte jedoch der Tagebau eine ungeheure Faszination aus. Der riesige Schaufelradbagger der täglich unserem Hause näher rückte, die Sprengungen, welche die Tassen im Schrank zum klirren brachten, die Abraum- und Kohlezüge, die wie eine Spielzeugeisenbahn am Grunde des ca. 100 Meter tiefen Loches mit ihrem eintönigen Gebimmel fuhren, dies alles war tief mit unseren Lebensinhalt verbunden.
Vor allem im alten Tagebau hinter dem Rittergut, wo nicht mehr gearbeitet wurde, errichteten wir unsere Burgen, bauten wir unsere Laubhütten, führten wir harte Kämpfe gegen andere feindliche Banden. - Manchmal bis aufs Blut, in dessen Folge schlimme Beulen und zerrissene Hosen auch noch zu Hause schlimme Folgen in Form von Hieben zeigten. Das Verbot dort zu Spielen hörte ich zwar täglich, aber was soll’s.
Meine Tante fand immer Recht schnell heraus von woher ich vom Spielen kam.
Als Sie eines Tages abends wieder länger als üblich auf den kleinen Räuber wartete, - Sie wollte einmal ausgehen -, stand plötzlich ein kleiner unschuldig drein blickender Mohr vor ihr. An diesen Abend hatte ich ganz schlechte Karten, zu leugnen, woher ich kam war zwecklos. Wir hatten an diesen Nachmittag in den Wasserlöchern am Grunde des Tagebaus gerade eine Schlacht gegen eine feindliche Piratenflotte mit unserem Kaperschiff aus Schwellen geschlagen und vergessen uns in der Hitze des Gefechts den Kohlestaub ab zu waschen. Seit jenem Tage wusste ich, wie lange ein Kleiderbügel aus Hartholz braucht, um auf meinen Rücken zu zerbrechen. Ja wir liebten schon recht frühzeitig die Gefahr.

Eine meiner liebsten Beschäftigung war nach dem Spielen der Nachhauseweg an den Gleisen der Kohlebahn entlang, obwohl von der Großmutter strengstens untersagt sammelten wir hier immer die Briketts und Kohlestücke auf die von der Werksbahn herunterfielen. Damit konnte die Oma schon mal auf unseren alten eisernen Küchenherd unser Essen kochen.
Dieses alte Instrument in unserer Wohnküche vereinte Kochstelle, Wärmespender, Wasserkocher und Backofen zugleich. Wenn es durch das Abkochen zu warm war, wurde die Kammertür geöffnet und unsere ganze Wohnung war beheizt. Im Winter brauchten wir dann zum Schlafen keine erhitzten Ziegelsteine als „Wärmflasche“ mehr ins Bett zu legen.
Zu unserer komfortablen Wohnung im Gesindehaus eines ehemaligen Bauernhofes gehörte noch eine Dachkammer, dort schlief früher meine Tante, zu meiner Zeit wurde sie nur noch als Rumpelkammer benutzt. Alles was so im Haushalt anfiel und niemand mehr brauchte wurde dort irgendwie abgelegt. Sie war ein idealer Ort zum Spielen an dem es vielerlei Dinge zu entdecken gab.
Ebenerdig befand sich hinter einer Schusterwerkstatt das Waschhaus, dort wurde im Sommer gebadet und unsere Wäsche gewaschen. Mit mir wurde da meist nicht viel Federlesens gemacht, handlich wie ich nun mal war wurde ich gleich im Kessel mit abgeschruppt, manches mal gleich zusammen mit der Tochter meiner Patentante. Das war immer recht lustig denn ich lernte dabei zugleich, dass es zweierlei verschiedene Menschengruppen gibt.
Ein Holzschuppen und ein neben der Jauchengrube befindliches Plumpsklosett vervollständigten unseren Haushalt.
Sommers und Winters mussten wir über den Hof um auf diesen Fünfzylinder, entsprechen der Anzahl der Familien auf den Anwesen, unsere dringendsten persönlichen Geschäfte zu erledigen. Längere Sitzungen auf dieser „hygienischen Einrichtung“ waren nicht möglich,
wollte man nicht ersticken oder erfrieren.
Tagebau Zechau