Montag, 17. Dezember 2007

Stiefvater....

Die Zeit des freien Herumtollens war 1952 für mich zu Ende. Es begann sozusagen der Ernst meines Lebens, ein neuer Lebensabschnitt. Ich wurde eingeschult, und zwar mit allen Drumherum. Meine Mutter konnte sich für mich sogar neben einer bescheidenen Zuckertüte, die ja das Beste an diesen Tage war, einen Schulranzen leisten.
Mit Schiefertafel, Schieferkasten und einer neuen Fibel ausgerüstet begann ein neues Martyrium für mich, stundenlang ruhig sitzen zu müssen, immer zu machen, was die Lehrerin kundtat, es war eine schreckliche Strafe für mich.
Ein "braver" Schüler ???
Ich habe mich aber bitter gerecht an der älteren Dame. Fast ein halbes Jahr benötigte Sie, damit der Schieferstift in der „richtigen“ Hand einigermaßen leserliche Zeichen hinterlies. Ihre Ausdauer wurde jedoch von Erfolg gekrönt, ich konnte endlich mit der rechten Hand schreiben.
Ein Zweites großes Ereignis veränderte mein Leben entscheidend, ich bekam einen richtigen Vater, d.h. meine Mutter heiratete und zog zu uns auf das Dorf, jetzt hatte ich endlich das, um was ich all meine Freunde aus der Kinderzeit beneidete, einen Vater...
Aber um welchen Preis.
Übrigens ist ja die Tendenz bei Kindern von alleinerziehenden Müttern, nun endlich den zweiten Teil der Familie also einen Vater zu haben, ziemlich stark ausgeprägt, ebenso bei mir. Über meinen richtigen Vater wusste ich damals nur soviel, das er ein Ausländer war, nicht oder kaum unsere Sprache kannte und weit, weit weg wohnte.
Soviel stand damals für mich fest, alle Männer, die nicht so richtig Deutsch konnten und nicht aus unserem Dorf stammten, kamen potentiell für mich als Vater in Frage und wenn sie dann sich noch ein wenig mit mir beschäftigten, sowieso. So geschehen auf meiner ersten großen „Weltreise“ mit meiner Großmutter.
Wir wollten damals im Sommer des Jahres 1950, die Züge fuhren schon wieder relativ pünktlich, meine Mutter auf ihrer Arbeitsstelle in Zwickau besuchen.
Während eines Aufenthalts im Wartesaal des Bahnhofs von Annenberg
saß nun auch noch ein solch besagter Ausländer, ein russischer Sergeant mit einem riesigen Stalinbart und zwinkerte mir kleinen Knirps lustig zu. Ein kleines Stück Zucker half mir meine anfängliche Scheu zu überwinden und es kam sozusagen zu einen väterlichen Dialog zwischen uns beiden natürlich ohne große Worte. Immer wenn ich diesen Mann an seinem Schnauzer kitzelte, während er so tat als schliefe er, wackelte er lustig mit seinen Bartspitzen, so das ich mich vor Lachen fast wegschmiss - und für mich stand fest, obwohl es meiner Großmutter nicht so recht war, - dies konnte nur mein Vater sein.
Als ich diesen Menschen beim Spazieren gehen in Z. wieder begegnete rief ich ganz aufgeregt zu meiner Mutter „dort geht mein Papa“!
Doch zurück nun zu unseren angeheirateten Vater - er war nicht so wie ein richtiger Papa, vorbei war es mit der „großen Freiheit“,
sehr schnell wurde mir beigebracht was eine strenge väterliche Hand bedeutet. Das Grausame an der ganzen Angelegenheit war die Permanenz der Kontrolle und der Sanktionen beim Nichtbefolgen von Geboten und Verboten.
Wichtigstes Erziehungsinstrument dieses meines Stiefvaters, die Betonung liegt hierbei auf „ Stief ...“, war ein Siebenriemer, ein 30 cm langer handlicher Stock, auf der einen Seite mit einer Lederschlaufe für das Handgelenk, und auf der anderen, sieben 1 cm breite und 30 cm lange Lederriemen, die ringförmig um der Stiel befestigt waren, - ein bestialisches Folterinstrument für mich, um meinen ganzen Elan und meine Tatkraft zu bremsen.
Vom väterlichen Standpunkt aus gesehen konnte ich zwar für dieses
Teil eine gewisse Daseinsberechtigung erkennen, denn mein Großvater erzog früher schon seine Kinder damit mehr oder weniger erfolgreich, jedoch verspürte ich damals schon eine gewisse Tendenz zur antiautoritären Erziehung.
Es war deshalb nicht verwunderlich das mir dieses Gerät beim Toilette reinigen aus Versehen aus der Hand fiel und in den unergründlichen Tiefen der Jauchegrube entschwand, was jedoch in keinerlei Protokoll vermerkt wurde - denn ich wusste ja von nichts!
Eine Hoffnung auf eine grundsätzliche Veränderung der Erziehungsmethoden war jedoch trügerisch - es änderten sich nur dir Instrumente nach dem Motto, ein straffer Leibriemen aus Leder tut’s auch. In diesem Falle lies es jedoch für mich die Möglichkeit offen, bis er abgegürtet, war flugs das Weite zu suchen, d.h., mich solange zu verstecken, bis die heftigste Wut sich beim alten Herrn in Luft aufgelöst hatte.Es war wieder die Großmutter, die sich schützend vor mich stellte, wenn sozusagen wieder einmal „die Kacke am dampfen war“, denn nach wie vor schlief und wohnte ich bei ihr - während meine Eltern ein kleines schmales Zimmer im Anderen, sozusagen herrschaftlichen Teil des Hofes, im Gutshaus, bewohnten. Obwohl es noch einiges in Sachen Stiefvater zu berichten gäbe, will ich es doch vorerst dabei belassen und mich wichtigeren Dingen zu wenden.

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