Dienstag, 29. Januar 2008

Jugendtreiben

Früh morgens, noch eng umschlungen und schlafend klopfte es an ihre Zimmertür, Show Time, ihre Frau Mama, an sie hatten wir gar nicht mehr gedacht, Sie schaute zum Zimmer herein und nahm es gelassen hin,
„na wen haben wir denn da?“, fragte sie,
„meinen Freund, er konnte gestern nicht mehr so richtig nach Hause“,
war die richtige Antwort und das war nicht einmal gelogen, denn ich konnte wirklich nicht mehr irgend wohin laufen. Seit diesen Zeitpunkt brauchte ich nicht mehr durchs Fenster zu klettern. Ihre Mutter war eine Klassefrau, sie hoffte vielleicht das sich durch unsere Freundschaft etwas mehr am flatterhaften Wesen ihrer Tochter ändern würde und sie tolerierte deshalb unsere Beziehung.
Sie umsorgte mich in ihren Haushalt, wie ihren eigenen Sohn.

* * *

Im Oktober 1963 zogen wir dann mit Sack und Pack in unser neuerbautes Wohnheim um, für unsere Begriffe war jetzt alles vom Feinsten. Wir wohnten gleich neben der Berufsschule, in der Nähe des Zentrums von Wolfen. Bis zu meiner Freundin, zum Kulturhaus und zu den anderen Vergnügungsstätten immer nur ein Katzensprung. Der einzige Nachteil, die Anwesenheitskontrollen gestalteten sich weit aus schwieriger. War es doch in unserer Baracke ein Leichtes sich Abends nach der Kontrolle zu verkrümeln, sie lag ja ebenerdig, so war dies im 3 Stock wesentlich Schwieriger. Der Vorteil, die Damen unserer Berufsschule wohnten mit im gleichen Haus, allerdings in der 4. und 5. Etage natürlich hinter einer nur in einer Richtung begehbaren Tür.
Viel wichtiger war jedoch das unbemerkte Kommen und Verlassen des Hauses und dies sollte noch für mich ein kleines Problem werden.
Aber Probleme sind ja dazu da um gelöst zu werden. Ich war ja schon fasst ein ausgebildeter Schlosser, und die Tür zum Fahrradkeller hatte nun mal kein Sicherheitsschloss. Durch meine Kumpels wurde mein Fehlen bei überraschenden Kontrollen abgedeckt, so konnte eigentlich nichts schief gehen.
Leistungsmäßig stand ich mittlerweile auf einer sicheren Zwei.
Im 2. Lehrjahr, nunmehr zu den Alteingesessenen gehörend genoss ich in vollen Zügen gemeinsam mit ihr und sorglos den Rausch der Jugend.
Die gesellschaftlichen Probleme jener Zeit wie Mauerdiskussion, Kubakrise und den Mord an J. F. Kennedy berührten mich nur wenig oder gar nicht. Wir erledigten jene Aufgaben auch im Rahmen der FDJ so am Rande, ohne größeren Tamtam, immer nach Prioritäten unterscheidend, denn das Wichtigste blieb nun mal die Ausbildung.
Wir genossen die heiße Musik der frühen 60-er Jahre mit den Beathels, den Rolling Stones und vieler Anderer, wir waren eigentlich ganz stink normale Jugendliche, wie viele andere auch.
Unsere Lieblingssender im Radio waren neben den bisher schon erwähnten, der deutsche Freiheitssender 904 und der Soldatensender. Kein Mensch regte sich innerhalb des Lehrlingswohnheims darüber auf wenn wir diese Musik hörten. Es war damals In, ein kleines Kofferradio, wie es das Sternchen war zu besitzen. Damit konnte man auf Mittelwelle all jene Sender empfangen, die diese heiße Musik spielten. Für Fernsehprogramme fehlte uns einfach die Zeit. Wir wussten schon wo und in welcher Waffengattung wir unseren Wehrdienst leisten würden, über meine weitere Entwicklung gab es auch schon Klarheit und über eine spätere berufliche Laufbahn brauchte ich mir noch keine Gedanken zu machen.
Zu meinen Eltern und zu meiner Großmutter hatte ich nur ein bis zweimal im Monat Kontakt. Für ca. 2,68 Mark fuhr ich verbilligt auf Lehrlingsticket für das Wochenende nach Hause und konnte es in jenen Tagen kaum erwarten wieder zurück zu meiner Freundin zu kommen. Meine Mutter merkte sofort, dass etwas mit mir nicht stimmte, sie bohrte solange bis sie Alles wusste. Natürlich war sie stark daran interessiert nun auch mal meine Freundin kennen zu lernen, was ja auch irgendwie verständlich ist.
Wir verabredeten uns für die Weihnachtsfeiertage, das war ihr aber zu lang und mir zu stressig so blieb es dann bei einen kurzen Wochenende im Herbst des Jahres.
Nach unserer Ankunft und ihrer etwas distanzierten Begrüßung legte sie zuerst eine neue Schlafordnung fest. Eingedenk des noch jugendlichen Alters meiner Freundin, sollte ich wie immer bei meiner Großmutter schlafen, und M. in der nebenangelegenen elterlichen Wohnung. Mein Protest half gegenüber ihren sturen Wesen nichts. Wir mussten in den saueren Apfel beißen. Da aber meine Großmutter einen Zweitschlüssel für die andere Wohnung besaß, sah ich der Sache gelassen entgegen. Früh Morgens fand uns meine Mama beide auf der Couch wieder, das es ihr nicht gefiel konnte man ihr ansehen. Nach den Mittagessen ruhten wir uns im Schlafzimmer meiner Großmutter auf den alten roten Plüschsofa etwas aus. Vorsichtshalber verschloss ich die Zimmertür, denn ich kannte ja meine Mutter, gerade beim schönsten Quicky kam das vorher Gesehene. Ich sollte sofort die Tür öffnen und heraus kommen, sie hat es aber nach 10 Minuten aufgegeben. Als sich nichts rührte, verließ sie wütend unseren Unterschlupf. Später habe ich sie dann gefragt ob sie noch wisse wie alt ich bin.
Sie konnte sich wohl schwer daran gewöhnen, dass ihr Sohn schon erwachsen ist und seine eigenen Wege geht. Manch Einer fällt es leicht, Andere wiederum haben da größere Probleme. Meine Mutter gehört wohl zu der letzteren Kategorie.
Meine Flamme war jedenfalls geschockt, sie war über so viel Spießertum verwundert und ich habe mich für meine Mutter geschämt.