Donnerstag, 14. Februar 2008

2. Kapitel - Neuorientierung

Nach einen erholsamen Urlaub, natürlich ohne Anhang ging ich auf Jobsuche. Ich war ein fertig ausgebildeter Betriebsschlosser und es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich nicht den Platz finden würde, der meinen Fähigkeiten entsprach. Auswahlkriterien waren, Art der Arbeit, Verdienst, Arbeitszeit und allgemeines Flair, also auch etwas fürs Gemüt. Dies Alles jedoch nur in der Nähe und Umgebung meiner Heimatstatt Annenberg. Für Montagetätigkeiten, die ja super bezahlt würden, fehlte mir der Bock.
Anfangs spielte auch keinerlei Rolle, wo ein Unterkommen zu finden sei, da blieb ja nur mal meine Großmutter, denn die Wohnraumsituation war zu dieser Zeit sehr gespannt.
Wichtig allein war, es musste nun endlich mal richtige Kohle verdient werden.
Der Zufall in Form einer ehemaligen Klassenkameradin half mir bei der Auswahl meiner ersten Firma, sie war frisch ausgebildete Weberin in einer Rohwolle verarbeitender Fabrik und dort fehlten Schichtschlosser. Noch während der Schulzeit trieben wir gemeinsam in unserer Freizeit Sport
– Florettfechten -.
Sie arbeitete nun in jener Kammgarnspinnerei in Kotterritz in der Nähe von Annenberg.
Nach erfolgter positiver Bewerbung begann ich meine Arbeit im
2 Schichtrhythmus in diesen Betrieb. Von den äußeren Bedingungen her war es ja nicht schlecht dort, ein reiner Frauenbetrieb, eine machbare Arbeit mit netten Kollegen.
Aber dieser Betrieb hatte es auch in sich, vor allen in der Spätschicht. Da arbeiteten ein bis zwei Schlosser und ca. 60 Weberinnen. Es war reiner Stress. musstest du einmal bei Einer eine Reparatur tätigen und warst länger als nötig dort, schon kam die Forderung von der Nächsten, bei mir gibt es diesen oder jenen Defekt und hinter vorgehaltener Hand wurde dann gleich ein Verhältnis unterstellt. Aber dies war noch nicht das Schlimmste, diese Weiber machten sich einen Spaß daraus einen unschuldig drein blickenden Jüngling durch anzügliche Redensarten in Verlegenheit zu bringen. In diesen oftmals hart ausgetragenen Spiegelfechtereien waren erbarmungslose Positionen gefragt. Solche Formulierungen „du läufst aber komisch, hast wohl noch dicke Eier“, waren noch relativ harmlose Bemerkungen. Oder, „ Hat dir auch Mutti genügend Pariser (Kondome) mitgegeben, mir ist nämlich gerade mal so“, aber in diesen Fall habe ich hart zurückgeschlagen. Wir hatten für die Arbeit einen kleinen Eckspiegel zum Schweißen, der an einen 50 cm langen starken Draht befestigt wurde. Ihn hielt ich der Dame unauffällig seitwärts unter den Arbeitskittel und bemerkte, sie solle erst mal ein Bad nehmen, ihre Unterhöschen färben schon durch. Aber letzthin reichte es doch bei der nächsten passender Gelegenheit in der Vesperpause für ein Quicky auf der Rohwolle.
Ein ganz anderes Problem bei dieser Arbeit war die Bezahlung, gemessen am Arbeitsaufwand Schichtarbeit, hatte ich so monatlich 430. - bis 450. - Mark. Das genügte mir nicht, und ich beschloss zu kündigen.
Im Januar des folgenden Jahres begann ich meine Tätigkeit in der Tea, ein Teer- und Erdölverarbeitender Betrieb in Rostiz, in den selben Betrieb, in den auch mein richtiger Vater während der Nazizeit schuften musste, natürlich wieder als Betriebsschlosser und im 3 Schichtbetrieb. Meine Arbeitsstätte befand sich in der Spaltanlage Spalt 2/3, eine Anlage zur Destillation oder Spaltung von Teer. Hier wurde der aus der Verkokung der Braunkohle entstandene Teer bei einer Temperatur von ca. 460° C und unter einen Druck von ca. 25 –40 atü, in die Fraktionen Leichtöl, Mittelöl, Schweröl und Asphalt zerlegt.
Solange die Anlage reibungslos lief hatte ich eine erträgliche Arbeit, sie wurde relativ gut bezahlt und das 3 Schichtsystem bei rollender Woche hat mich auch nicht gestört. Das Problem war halt bei Wind und Wetter, immer in den „tollen“ Gestank und dann nur alle 7 Wochen mal ein freies Wochenende.
Ansonsten war es auszuhalten. Mit meinen Meister, Herrn St. kam ich gut aus, eine Reihe vom Leben und der Arbeit gezeichneter Kollegen, vor allen die Blasenreiniger komplettierten so mein Arbeitsfluidum.
Vor diesen Arbeitern hatte ich eine enorme Hochachtung. Vor allem vor ihrer Arbeitsleistung. Acht Stunden schufteten sie unter fast unmenschlichen Bedingungen. Ihre Aufgabe bestand darin, die im Teer befindlichen festen Stoffe, welche sich bei der Entspannung des erhitzten Teers in einer Blase in Form von Koks absetzten, zu entfernen. Sie also, nach dem Abkühlen des Aggregats, mit Spitzhacke und Schaufel zu säubern. Dies alles bei einer mittleren Temperatur von ca. 35-40 Grad Celsius und unter beengten und verqualmten Bedingungen. Sie mussten immer zu zweit arbeiten und wenn einer fehlte aus irgend welchen Gründen, durfte ich als Helfer mitwirken. Einer hackte den Koks los und der andere schaufelte den Dreck raus und passte auf, dass der innerhalb der Blase arbeitende nicht durch die Dämpfe ohnmächtig wurde. Diese Arbeit war extrem gesundheitsschädlich wurde aber gut bezahlt. Mit den Damen und Herren Chemiefacharbeitern, welche die Anlage bedienten gab es längst nicht so ein gutes Betriebsklima, sie waren stellenweise ganz schön eingebildet. Sie waren ja Facharbeiter.